Steuerliches Investitionssofortprogramm: Chancen und Herausforderungen für Kommunen und Länder
Das geplante Gesetz zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland bringt erhebliche Steuerausfälle mit sich – eine Analyse der finanziellen Auswirkungen auf kommunale und Landesebene
Die Bundesregierung hat am 4. Juni 2025 den Entwurf für ein steuerliches Investitionssofortprogramm vorgelegt, das die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken soll. Während die wirtschaftspolitischen Ziele durchaus zu begrüßen sind, stehen Kommunen und Länder vor erheblichen finanziellen Herausforderungen durch die geplanten Maßnahmen.
Kernelemente des Gesetzentwurfs
Das Gesetz umfasst sechs zentrale Maßnahmen:
1. Investitions-Booster durch degressive Abschreibung
Für bewegliche Wirtschaftsgüter, die zwischen Juli 2025 und Ende 2027 angeschafft werden, können Unternehmen eine degressive Abschreibung von bis zu 30 Prozent vornehmen. Diese Maßnahme soll kurzfristige Investitionsanreize schaffen.
2. Schrittweise Körperschaftsteuersenkung
Ab 2028 sinkt der Körperschaftsteuersatz jährlich um einen Prozentpunkt von derzeit 15 auf 10 Prozent im Jahr 2032. Diese Maßnahme hat die größten langfristigen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.
3. Anpassung des Thesaurierungssteuersatzes
Parallel zur Körperschaftsteuer wird auch der Steuersatz für nicht entnommene Gewinne von Personenunternehmen von 28,25 auf 25 Prozent gesenkt.
4. Förderung der Elektromobilität
Neue Elektrofahrzeuge können mit Abschreibungssätzen von 75 Prozent im ersten Jahr stark beschleunigt abgeschrieben werden. Zusätzlich steigt die Bruttolistenpreisgrenze für die steuerliche Begünstigung von Elektro-Dienstwagen von 70.000 auf 100.000 Euro.
5. Ausweitung der Forschungsförderung
Die maximale Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage steigt von 10 auf 12 Millionen Euro, zusätzlich werden Gemeinkosten mit 20 Prozent pauschal berücksichtigt.
Finanzielle Auswirkungen: Die Zahlen im Detail
Die finanziellen Dimensionen des Programms sind beträchtlich. Bereits 2025 entstehen Steuerausfälle von 2,53 Milliarden Euro, die bis 2029 auf 11,3 Milliarden Euro jährlich ansteigen. Besonders relevant für kommunale Entscheidungsträger: Die Gemeinden tragen einen überproportional hohen Anteil der Belastung.
Kommunale Perspektive
- 2025: 1,01 Milliarden Euro Steuerausfälle
- 2026: 3,09 Milliarden Euro
- 2027: 4,56 Milliarden Euro
- 2028: 2,55 Milliarden Euro
- 2029: 336 Millionen Euro
Die zunächst hohen kommunalen Ausfälle in den Jahren 2025-2027 resultieren hauptsächlich aus der degressiven Abschreibung und den Elektromobilitätsförderungen, die sich stark auf die Gewerbesteuer auswirken. Ab 2028 reduzieren sich die kommunalen Belastungen, da die Körperschaftsteuersenkung primär Bund und Länder betrifft.
Auswirkungen auf Länderebene
Die Länder verzeichnen kontinuierlich steigende Ausfälle:
- 2025: 725 Millionen Euro
- 2029: 5,20 Milliarden Euro
Kritische Stimmen aus der kommunalen Praxis
Der Deutsche Städtetag hat deutliche Kritik am Finanzierungskonzept geäußert. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, warnt vor einer Gefährdung der kommunalen Handlungsfähigkeit: "Wir haben im letzten Jahr ein Defizit gehabt kommunal von 25 Milliarden Euro. Das ist richtig viel Geld. Rechnen auch für 25 mit einem großen Defizit. Und jetzt kommt dieses Sofortprogramm dazu. Und das führt für uns in den nächsten Jahren zu Steuerausfällen von 13 bis 14 Milliarden Euro."
Besonders dramatisch sieht Dedy die Auswirkungen auf die Investitionsfähigkeit der Kommunen: "Wir schieben in den Kommunen in Deutschland 190 Milliarden Euro vor uns her, die wir investieren wollen, eigentlich auch müssten, die wir aber nicht investieren können. [...] Das sind vor allem die Schulen. Das sind die Kitas, also da, wo Bildung für die Kids stattfindet."
Strukturelle Herausforderungen
Dedy benennt ein fundamentales Problem der deutschen Finanzarchitektur: "Wir haben ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben in den Städten und Gemeinden. Und wir haben aber nur ein Siebtel des Steueraufkommens." Diese strukturelle Schieflage wird durch das Investitionssofortprogramm verschärft.
Der Städtetag-Vertreter kritisiert zudem die Widersprüchlichkeit der Politik: "Wir können nicht das eine Investitionsverhalten fördern, nämlich das der Wirtschaft und das Investitionsverhalten der Städte beschneiden dürfen. Dann beißt sich die Katze doch in den Schwanz."
Lösungsansätze und Kompensationsmechanismen
Als kurzfristige Lösung schlägt Dedy eine Anpassung der Umsatzsteuerverteilung vor: "So auf die Schnelle, damit man das jetzt bald über die Bühne bringt, kann man eine Umsatzsteuerverteilung schrauben und sagen, das, was da Länder und Kommunen einbüßen, das muss dann eben der Bund an Umsatzsteueranteilen abgeben."
Diese Forderung begründet er mit den unterschiedlichen Verschuldungsmöglichkeiten: "Der Bund kann ganz anders Kredite aufnehmen, als Sie das in einer Stadt oder Gemeinde können. Da müssen Sie nämlich immer einen ausgeglichenen Haushalt haben."
Bewertung und Ausblick
Das Investitionssofortprogramm verfolgt grundsätzlich sinnvolle wirtschaftspolitische Ziele. Die geplanten Maßnahmen können durchaus Wachstumsimpulse setzen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Kritisch ist jedoch die Finanzierungssystematik zu bewerten, die erhebliche Belastungen auf kommunaler und Landesebene erzeugt, ohne adäquate Kompensationsmechanismen vorzusehen.
Handlungsempfehlungen für kommunale Entscheidungsträger:
Frühzeitige Haushaltsplanung: Die Steuerausfälle müssen bereits in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt werden.
Politische Positionierung: Eine koordinierte Interessenvertretung über die kommunalen Spitzenverbände ist erforderlich.
Alternative Finanzierungsquellen: Prüfung von Förderprogrammen und Umschichtungen im Haushalt zur Kompensation der Ausfälle.
Bundesratsinitiative unterstützen: Der Deutsche Städtetag empfiehlt die Ablehnung des Gesetzes in der vorliegenden Form.
Fazit
Das steuerliche Investitionssofortprogramm steht beispielhaft für ein strukturelles Problem der deutschen Finanzverfassung: Während der Bund steuerliche Entlastungen beschließt, tragen Länder und insbesondere Kommunen einen überproportionalen Anteil der Finanzierungslast. Ohne begleitende Kompensationsmaßnahmen droht eine weitere Verschärfung der bereits angespannten kommunalen Haushaltslage.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Programms wäre eine grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen den föderalen Ebenen erforderlich – ein Vorhaben, das weit über das vorliegende Gesetz hinausgeht, aber dringend angegangen werden sollte.
Die endgültige Beschlussfassung über das Gesetz steht noch aus. Kommunale Entscheidungsträger sollten die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und ihre Interessenvertretung entsprechend koordinieren.
Quellen
Bundesministerium der Finanzen: Entwurf eines Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, 4. Juni 2025. Online verfügbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/20_Legislaturperiode/2025-06-04-steuerliches-Investitionssofortprogramm/1-Regierungsentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (abgerufen am 13. Juni 2025).
SWR Aktuell: Interview mit Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Podcast vom 5. Juni 2025. Online verfügbar unter: https://www.swr.de/swraktuell/radio/im-gespraechpodcast-100.html